#76: Wie halte ich die Angst vor dem Scheitern in Schach?

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Wie halte ich die Angst vor dem Scheitern in Schach?

Die Angst vor dem Scheitern ist wohl eine der universellsten Erfahrungen im Gründungsprozess. Sie beginnt oft schon bei den ersten Gedanken an die Selbstständigkeit und kann uns während der gesamten unternehmerischen Reise begleiten. Diese Angst ist aber nicht nur normal – sie ist sogar ein Zeichen dafür, dass uns unser Vorhaben wichtig ist. Die Frage ist: Wie gehen wir konstruktiv mit ihr um?

Angst und Euphorie: Das untrennbare Paar

Ein wichtiger erster Schritt ist das Verständnis, dass Angst und Euphorie zusammengehören. In dem Moment, wo wir uns für eine Geschäftsidee begeistern und denken “Das ist eine großartige Sache, das möchte ich machen!”, meldet sich meist eine kleine Stimme: “Ja, aber was, wenn es doch nicht funktioniert?”

Diese Dynamik ist völlig natürlich. Glauben und Zweifel sind Zwillingsbrüder – sie ergänzen sich und wechseln sich ab. Der Zweifel kann sogar produktiv sein, wenn er uns dazu bringt, unsere Ideen kritisch zu hinterfragen und durchzudenken. Problematisch wird er erst, wenn er uns lähmt oder in Panik versetzt.

Strategischer Umgang: Management-Techniken nutzen

Ein bewährter Ansatz im Umgang mit der Angst vor dem Scheitern ist die Anwendung von Management-Techniken – ähnlich wie sie in etablierten Unternehmen verwendet werden:

1. Risikomanagement und Szenarioplanung

  • Erstelle verschiedene Szenarien: Was ist der Best Case, was der Worst Case?
  • Entwickle für jedes Szenario konkrete Maßnahmen (Plan A, B, C)
  • Notiere dir diese Überlegungen schriftlich – so hast du sie in schwierigen Momenten zur Hand

2. Der “leistbare Verlust” (aus der Effectuation-Theorie)

Frage dich: Was setze ich wirklich aufs Spiel? Was wäre, wenn dieses Investment verloren wäre? Würde mich das “umbringen”? Meist lautet die Antwort: Nein. Diese Erkenntnis kann sehr befreiend wirken.

3. Salami-Taktik

Statt alles auf eine Karte zu setzen, wage dich schrittweise weiter hinaus. Teste deine Idee in kleinen Schritten und reduziere so das Gesamtrisiko.

Der psychologische Aspekt: Wann und warum die Angst besonders stark wird

Die Angst vor dem Scheitern meldet sich nicht konstant, sondern zu bestimmten Zeitpunkten besonders intensiv:

  • An müden, anstrengenden Tagen
  • Nach schlechten Erfahrungen mit Kunden
  • Wenn Dinge nicht wie geplant laufen
  • In emotionalen Tiefphasen

In solchen Momenten ist es wichtig, nicht aus der Emotion heraus zu handeln. Hier helfen die bereits erarbeiteten Pläne und Szenarien – sie verhindern, dass wir in Panik verfallen und überstürzte Entscheidungen treffen.

Die Kraft des Gesprächs: Mit wem reden?

Über die eigenen Ängste und Zweifel zu sprechen, kann sehr entlastend sein. Doch Vorsicht: Mit wem du sprichst, macht einen großen Unterschied.

Wenig hilfreich sind:

  • Oberflächliche Motivationssprüche (“Es wird schon alles gut”)
  • Gespräche mit Menschen ohne unternehmerische Erfahrung
  • Personen, die deine Sorgen nicht ernst nehmen

Wirklich hilfreich sind:

  • Andere Selbstständige, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben
  • Menschen aus dem Gründer- und Unternehmerumfeld
  • Professionelle Berater oder Coaches mit systemischem Hintergrund
  • Sparringspartner, die reflektiert nachfragen und dir helfen, deine Ängste zu durchleuchten

Wenn die Angst berechtigt ist: Ein wichtiger Hinweis

Manchmal kann die Angst vor dem Scheitern auch ein berechtigtes Signal sein – nämlich dann, wenn die Geschäftsidee tatsächlich noch nicht ausgereift ist. Nicht jede Angst sollte “weggemanagt” werden. Wenn sich beim intensiven Durchdenken einer Idee alles in dir sträubt und du keine solide Basis erkennst, kann das ein Hinweis darauf sein, dass noch wichtige Elemente fehlen.

Der Rat lautet dann nicht “Sei einfach mutiger”, sondern: Arbeite weiter an deiner Idee, hole dir Expertise, tausche dich aus und schaffe eine bessere Grundlage für dein Vorhaben.

Was bedeutet “Scheitern” eigentlich?

Ein wichtiger Schritt im Umgang mit der Angst ist es, sich klar zu machen, was “Scheitern” konkret bedeuten würde. Bei einem Solo-Business in Österreich ist das oft weniger dramatisch als befürchtet:

  • Gewerbeschein abmelden
  • Finanzamt und Sozialversicherung informieren
  • Bei vorheriger Anstellung: Anspruch auf Arbeitslosengeld

Das Sicherheitsnetz in Österreich ist relativ engmaschig. Ein gescheiterter Gründungsversuch ist kein Weltuntergang, sondern ein Lernprozess, der neue Möglichkeiten eröffnen kann.

Mut: Die entscheidende Zutat

Letztendlich ist Mut die wichtigste Voraussetzung für erfolgreiches Unternehmertum. Nicht, weil erfolgreiche Unternehmer keine Angst hätten, sondern weil sie trotz der Angst handeln. Sie haben verstanden, dass Sicherheit im klassischen Sinne beim Gründen nicht existiert – wir planen immer in eine unsichere Zukunft hinein.

Der beste Weg, mit einer Angst umzugehen, ist oft: durch sie hindurchzugehen. Das bedeutet nicht, blindlings zu handeln, sondern trotz berechtigter Sorgen den nächsten Schritt zu wagen – allerdings auf einer guten Vorbereitung aufbauend.

Praktische Schritte zur Angstbewältigung

  1. Vorbereitung maximieren: Nutze die Zeit vor der Gründung, um dich so gut wie möglich zu informieren und vorzubereiten
  2. Szenarien durchdenken: Erstelle konkrete Pläne für verschiedene Entwicklungen
  3. Risiken managen: Identifiziere managbare Risiken und entwickle Gegenmaßnahmen
  4. Netzwerk aufbauen: Suche dir Gesprächspartner mit unternehmerischer Erfahrung
  5. Realistische Einschätzung: Mache dir bewusst, was im schlimmsten Fall wirklich passieren würde
  6. Schrittweise vorgehen: Teste deine Idee in kleinen Schritten, statt alles auf einmal zu riskieren

Eine Restangst bleibt – und das ist gut so

Wichtig ist die Erkenntnis: Eine gewisse Restangst wirst du nie komplett loswerden. Das ist auch gut so, denn sie hält dich wachsam und verhindert Leichtsinn. Die Kunst liegt darin, diese Angst zu respektieren, ohne sich von ihr lähmen zu lassen.

Nach einem guten Gespräch, einer Nacht Schlaf oder einfach einem schönen Erlebnis sieht die Welt oft schon wieder viel freundlicher aus. Dann kann der Mut wieder wachsen für den nächsten Schritt auf deiner unternehmerischen Reise.

Ein Wort zum Schluss

Die Angst vor dem Scheitern ist ein natürlicher Begleiter im Gründungsprozess. Statt sie zu ignorieren oder zu verdrängen, können wir sie als Hinweis ernst nehmen: auf die Bedeutung unseres Vorhabens und auf Bereiche, die noch unsere Aufmerksamkeit brauchen.

Mit der richtigen Mischung aus sorgfältiger Vorbereitung, professioneller Herangehensweise und dem Mut, trotz Unsicherheit zu handeln, wird aus der lähmenden Angst ein produktiver Antrieb für eine gut durchdachte Gründung.

Übrigens: In einem kostenlosen Gründungs-Checkup helfen wir dir gerne dabei, deine Ängste und Sorgen zu reflektieren und einen realistischen Plan für deine Gründung zu entwickeln. Manchmal braucht es nur das Gespräch mit erfahrenen Beratern, um aus lähmender Angst produktive Vorbereitung zu machen.

Die Links

Folge #70: Wann soll ich noch durchhalten, und wann bin ich schon wahnsinnig?

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